Ubi Erat Lupa

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Antike Musterbücher und (k)ein Ende. Ein neuer Papyrus und die Aussage der Mosaiken.

DONDERER Michael, Musiva & Sectilia. An international journal for the study of ancient pavements and wall revetments in their decorative and architectural context 2/3, 2005/2006 (Pisa/Roma 2008) 81–113

Anhand eines späthellenistischen Papyrus greift Michael Donderer die erstaunlich selten behandelte Frage auf, woher der antike Bildungsbürger die Bildthemen bezog, mit denen er sich im Leben umgab und mit denen er für die Nachwelt im Bewusstsein bleiben wollte. Donderer geht von den wenigen literarischen Nachrichten und archäologischen Denkmälern aus, die ahnen lassen, in welchem Umfang sich die gebildeten Schichten der römischen Kaiserzeit über Gestaltung und Aussehen von Bauten und Kunstwerken austauschten. Weil die Trägermaterialien, über die die Kommunikation verlief (Textilien, Papyrus, Gips, Holz, Stoff etc.), vergänglich waren, ist diese Art des Gedankenaustauschs nur in Ausnahmefällen und allenfalls über Indizien zu belegen.
Einen solchen Ausnahmefall stellt ein Relief aus Sens / F dar. Es zeigt Handwerker bei der Ausführung einer Wandmalerei (?), die von einem Werkstattleiter/Baumeister/Architekten an Hand einer weit entrollten Zeichnung auf Papyrus überprüft werden. Es ist also ein volumen, das die Kommunikation zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer und Ausführenden herstellt. Bei diesem Relief handelt es sich um eine der in den NW-Provinzen des Römischen Reiches beliebten Berufsdarstellungen. Gerne wüsste man, ob sie zum Grabmal des dargestellten Baumeisters oder – was eher anzunehmen ist – zum Grabmal seines Auftraggebers gehörte, auf dem dieser die Bandbreite seines Interessens- bzw. Wirkungsbereichs verkündete.
Die Bestellung eines Kunstwerks, welcher Art auch immer, schriftlich, ja bildlich zu fixieren, ist aus vielen Gründen vorteilhaft. Eine diesbezügliche Kommunikation begegnet gelegentlich sogar in antiken Texten, vor allem dann, wenn die Bestellung über größere Entfernungen hin erfolgte. So wurde z.B. in Alexandria ein „paradeigma“ für ein Mosaik bestellt, das in der Oase Fayyum verlegt werden sollte (nach Google Earth beträgt die Luftlinie zwischen beiden Orten mehr als 200 Kilometer). Es liegt in der Natur der Sache, dass „paradeigmata“ – Bildvorlagen – besonders für die Anfertigung von Wandmalereien und Mosaiken sinnvoll waren. Im Deutschen hat sich der Begriff „Musterbücher“ eingebürgert, der zu hinterfragen ist, weil er etwas vorwegnimmt, was eigentlich noch zu beweisen wäre.
Das prominenteste Kunstwerk, das für die Existenz einer Bildvorlage spricht, ist das berühmte Alexandermosaik aus der Casa der Fauno in Pompeji: Bei der Begründung des zeitlichen (und wohl auch geographischen) Abstandes zu seinem Original, das man allgemein für ein frühdiadochenzeitliches Wandgemälde hält, kommt man ohne Bildvorlage nicht aus. Eine solche muss es auch gegeben haben, wenn eine beinahe identische Darstellung der Menanderkomödie Theophoroumene als Wandmalerei und Mosaik begegnet. Aus der Mittelung des älteren Plinius, dass Ptolemaios I. vom Maler Antiphilos als Held der kalydonischen Eberjagd proträtiert wurde, schließt Donderer auf eine besonders interessante Entwicklungslinie: Dieses Wandgemälde sei unter Augustus nach Rom gelangt und hätte dort eine langanhaltende Wirkung entfaltet, die sich über Wandmalereien, Mosaiken bis zu den stadtrömischen Meleagersarkophagen erstreckte – ein Vorgang, der ohne Bildvorlagen nicht vorstellbar wäre.

Michael Donderers Untersuchung, die an eine thematisch vergleichbare Studie von Erna Diez anschließt (siehe lupa.at/publications/3), enthält also wichtige Anregungen, ist aber an einer relativ schwer zugänglichen Stelle erschienen. Daher danke ich Erwin Pochmarski (Graz) für die Beschaffung des pdf und Herrn Donderer für die diesbezügliche Erlaubnis sowie für die Durchsicht des abstract. Durch die in lupa.at vereinten Denkmäler hat die Suche nach „paradeigmata“ eine breitere Basis erhalten.

Abstract von Ortolf Harl (März 2022)

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