Ubi Erat Lupa

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Das Ehrengrab für J.J. Winckelmann und das Lapidarium der Accademia degli Arcadi Sonziaci

Am 19. April 1689 starb in Rom Maria Alexandra, die vor ihrer Abdankung als Königin von Schweden und vor ihrem Übertritt zum Katholizismus Christina hieß. Als bedingungslose Förderin von Kunst und Kultur erhielt sie noch einen weiteren Namen – Pallas des Nordens. Da sie zu Lebzeiten ihren Wunsch nach einer Gesellschaft zur Pflege eines schlichten und an den antiken Vorbildern orientierten literarischen Stils nicht umsetzen konnte, gründeten ihre Freunde ein Jahr nach Christinas Tode eine Gesellschaft von Gelehrten und Künstlern mit dem Namen ‘Accademia dell‘Arcadia’. Diese Accademia traf den Nerv der Zeit, hatte bald berühmte Mitglieder, nahm einen nationalen Charakter an und zog in vielen Teilen des italienischen Sprachraums die Entstehung von Tochterorganisationen nach sich. Eine der letzten war die ‚Accademia degli Arcadi Sonziaci‘ in Gorizia (Görz), deren Beiname ‚Sonziaci‘ an den Isonzofluss (lat. Sontius) anspielt. Sie wurde am 8. August 1780 von dem aus Rom kommenden ex-Jesuiten Giuseppe de Coletti gegründet und galt als eine Art Ersatz für den 1773 in der Habsburgermonarchie aufgehobenen Jesuitenorden, der sich vor allem der Pflege der italienischen Sprache und der klassischen Kultur widmete. Dem entsprach, dass die erste öffentliche Versammlung im ehemaligen Jesuitenkollegium von Görz stattfand (2. Februar 1781), dass bereits de Coletti, wie jüngst entdeckt wurde, antike Skulpturen sammelte und dass die Accademia eine umfangreiche Bibliothek aufbaute (heute Teil der Biblioteca Civica von Triest). Die Accademia wurde von vielen Persönlichkeiten aufgesucht, die durch Gorizia reisten, genannt seien vor allem Giacomo Casanova und Mozart‘s Librettist Lorenzo da Ponte, der sogar Mitglied wurde.
Während der Regierungszeit von Joseph II. wurde die ‚Accademia degli Arcadi Sonziaci‘ von Gorizia in das aufstrebende Triest verlegt und in die ‚Colonia Arcadica Triestina‘ eingegliedert, die dort seit 1782 bestand. In dieser Phase machte sich vor allem Graf de Cassis Faraone um die Accademia verdient, u.a. durch die Schenkung von ‚antichi marmi‘ oder durch ein Rom-Stipendium für den Architekten Pietro Nobile zur Weiterbildung bei Antonio Canova.
In ernste Schwierigkeiten geriet die Accademia durch die napoleonischen Besetzungen von 1797, 1805 und 1809-1812 sowie durch die Rückkehr der Österreicher (‚essa nacque austriaca e austriaca morì‘ so Camillo de Franceschi). Deshalb wurde sie 1810 in die von Domenico Rossetti gegründete ‚Società di Minerva‘ intergriert. Rossetti war ein von humanistischen Idealen befeuerter Jurist, der unter Napoleon wie unter den Habsburgern eine führende Position in Triest innehatte. Sein Engagement galt u.a. dem Andenken an den Begründer der wissenschaftlichen Archäologie J.J. Winckelmann, der in Triest am 8. Juni 1768 ermordet worden war: Rossetti verfasste eine Biographie Winckelmanns (erschienen 1823), betrieb die Aufhebung des Friedhofs von S. Giusto (1829), um dort für Winckelmann einen vom Canova-Schüler Antonio Bosa ausgeführten Kenotaph zu errichten (eingeweiht 1833) und einen Orto Lapidario zu gestalten (eröffnet 1843).
Nach Rossettis Tode (1842) wurde ein als Glyptothek bezeichneter Tempietto errichtet, in dem 1874 die ‚marmi antichi‘ der einstigen Accademia degli Sonziaci untergebracht wurden. 1924 wurden diese in die ‚Galleria della Scultura‘ des Museums gebracht und an ihre Stelle trat 1934 der Winckelmann-Kenotaph von Antonio Bosa. Im Jahr 2000 wurden dann die ‚marmi antichi‘ in den unterdessen restaurierten Tempietto zurückgebracht. Am 8. Juni 2018, an dem sich der Mord an J.J. Winckelmann zum 250. Mal jährte, erreichten die Bestrebungen einen für Rossetti nicht vorhersehbaren Höhepunkt: Der Museo di Storia ed Arte wurde in „Museo d’Antichità J.J. Winckelmann“ umbenannt.

Lit.:
Camillo De Franceschi, L’Arcadia Romano-Sonziaca e la Biblioteca Civica di Trieste, Triest 1930
Michela Messina, Un episodio di collezionismo archeologico a Trieste nel primo ‘800 e gli interventi di Sigismondo Dimech “scultore e restauratore” maltese, in Arri Civici Musei di Storia ed Arte di Treiste 18, 2001 (2002), 273-316

Ortolf Harl
(nach einer Vorlage von Monika Verzár, Triest 2021)

https://de.wikipedia.org/wiki/Accademia_dell%E2%80%99Arcadia

https://it.wikipedia.org/wiki/Domenico_Rossetti_De_Scander

https://de.wikipedia.org/wiki/Christina_(Schweden)

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